Centralized computers controlling decentralized production with industry 4.0 and digital transformation

Industry 4.0: Wurde die Vision zur Realität?

Die Brücke von virtueller und physikalischer Welt
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Die 2011 erstmals vorgestellte Vision von Industrie 4.0 und digitaler Transformation fand weltweit Beachtung – warf aber auch viele Fragen auf. Heute, nach mehr als 10 Jahren, erfordert die Vision immer noch weitere Fortschritte, um Realität zu werden. Allerdings sind wichtige Entwicklungen im Gange, insbesondere im Bereich der technischen Weiterentwicklungen.

Als Hennig Kagermann, ehemaliger SAP-Vorstand und damaliger Vorsitzender der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften Acatech zusammen mit seinen Kollegen, dem Physiker Wolf-Dieter Lukas und dem Informatikprofessor Wolfang Wahlster im April 2011 eine Denkschrift unter dem Titel „Industrie 4.0: Mit dem Internet der Dinge auf dem Weg zur 4. industriellen Revolution“1) veröffentlichte, wurde die Vision einer durchgängigen Digitalisierung und Vernetzung von Produktionsabläufen angestoßen, die seit nunmehr 20 Jahren die Fachwelt beschäftigt.

Die Vision

Durch die “digitale Veredelung von Produktionsanlagen und industriellen Erzeugnissen” mit integrierten Speicher- und Kommunikationsfähigkeiten, Funksensoren, Aktuatoren und Softwaresystemen entstehe eine Brücke zwischen virtueller („cyber space“) und physischer Welt und zu einer Wechselwirkung zwischen digitalem Modell und physischer Realität, so die Vision der Autoren. Die Vision: Nicht eine zentrale Steuerung, sondern das Produkt selbst und seine Bestandteile werden bestimmen, wie sie in den einzelnen Fertigungsschritten bearbeitet werden müssen.

Insgesamt führe dieser Ansatz den Autoren zufolge zu einem Paradigmenwechsel, dessen Auswirkungen einer 4. Industriellen Revolution gleichkämen. Diversen Quellen zufolge griff Bundeskanzlerin Angela Merkel den Begriff Industrie 4.0 wenige Tage später bei Ihrer Eröffnungsrede zur Hannover Messe 2011 auf – wohl spontan, denn in der veröffentlichten Niederschrift der Rede 2) ist er nicht erwähnt.

Das Forschungsprojekt

Die Denkschrift aus dem Jahr 2011 gab den Anstoß für ein vom Bund gefördertes Forschungsprojekt, dessen Abschlussbericht zwei Jahre später, im Jahr 2013, wiederum auf der Hannover Messe, unter dem Titel „Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0“3) an die Bundeskanzlerin übergeben wurde.

“Nach Mechanisierung, Elektrifizierung und Informatisierung der Industrie läutet der Einzug des Internets der Dinge und Dienste in die Fabrik eine 4. Industrielle Revolution ein. Unternehmen werden zukünftig ihre Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel als Cyber-Physical Systems (CPS) weltweit vernetzt”, heißt es in der Einleitung zu dem insgesamt 110 Seiten umfassenden Dokument.
Um diese Vernetzung von Maschinen, Lagersystemen und Betriebsmitteln zu erreichen, seien folgende Zielsetzungen zu verwirklichen:

  • Horizontale Integration über Wertschöpfungsnetzwerke
  • Digitale Durchgängigkeit des Engineerings über die gesamte Wertschöpfungskette
  • Vertikale Integration und vernetzte Produktionssysteme

Wer sich von den “Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0 “ allerdings konkrete Rezepte erwartet hat, sah sich enttäuscht: Im Gegenteil: Der Weg zur Industrie 4.0 erfordere enorme Anstrengungen in Forschung und Entwicklung”, heißt es im Vorwort. Es bestehe erheblicher Forschungsbedarf nicht nur zu der horizontalen und vertikalen Integration von Produktionssystemen sowie zur Durchgängigkeit des Engineerings”, sondern auch “die neuen sozialen Infrastrukturen der Arbeit in Industrie 4.0-Systemen” seien in den Blick zu nehmen.

Demensprechend beschränken sich die im Titel ausgelobten Empfehlungen auf die Spezifikation von Handlungsfeldern (insgesamt 8), von denen sich etwa die Hälfte mit technologischen Aspekten beschäftigt (Referenzarchitektur, Beherrschung komplexer Systeme, Ausbau einer Breitbandinfrastruktur, Sicherheitsaspekte) und die andere Hälfte mit organisatorischen und rechtlichen Aspekten wie Fragen der Arbeitsorganisation und der Regelung rechtlicher Rahmenbedingungen.

Es ist erwähnenswert, dass die “Umsetzungsempfehlungen ausdrücklich darauf verweisen, dass die Realisierung von Industrie 4.0 ein langfristiges Projekt ist: “Der notwendige Paradigmenwechsel hin zur Industrie 4.0 ist ein langfristiges Vorhaben und wird nur in einem schrittweisen Prozess möglich sein. Dabei kommt dem Erhalt des Wertbestandes bereits installierter Produktionssysteme eine zentrale Bedeutung zu 3).

Trotz allem: ein Exportschlager

Dennoch hat sich der Begriff weltweit etabliert und so lautet auch das Fazit der Initiatoren Profs. Kagermann und Wahlster in einem Artikel zum Thema “10 Jahre Industrie 4.0” in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von 29.03.2021 4): “Der Begriff „Industrie 4.0“ hat sich viral ausgebreitet und wird heute auf der ganzen Welt wie „Kindergarten“ und „Autobahn“ mit Deutschland assoziiert.” Industrie 4.0 sei ein Exportschlager, der in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik rund um den Globus Aufmerksamkeit und Anerkennung erfahren habe.

In der Tat hat die Vision von Industrie 4.0 Schule gemacht, und den Anstoß zu ähnlich gelagerten Initiativen auf der ganzen Welt gegeben. So hat Frankreich im Jahr 2015 das nationale Programm Industrie du Futur 5) ins Leben gerufen, die an die Handlungsfelder von Industrie 4.0 anknüpft. Italien hat 2016 mit Industria 4.0 6) eine nationale Strategie zur Digitalisierung der Industrie auf den Weg gebracht, die ein breites Spektrum von Maßnahmen zur Förderung inländischer und internationaler Investitionen umfasst, und in Japan heißt das Pendant zu Industrie 4.0 “Connected Industries” 7), ausgerufen 2017 als Teil einer umfassenden Initiative zum Thema “Society 5.0” (!).

Industry 4.0 – wo stehen wir nach 10 Jahren?

In dem bereits erwähnten Artikel in der FAZ zum zehnjährigen Bestehen von Industrie 4.0 resümieren die Initiatoren Prof. Kagermann und Prof. Wahlster: “Heute steht Industrie 4.0 oben auf der Tagesordnung der Bundespolitik – in den vergangenen zehn Jahren haben sich mehr als 1000 Projektkonsortien, 10.000 Konferenzen und 100.000 Publikationen mit der technisch-wissenschaftlichen Umsetzung dieser Idee beschäftigt.”

Doch wieviel von der Theorie ist bereits in der Praxis angelangt? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine Vielzahl von Umfragen und Reports, die in der Regel eine partielle Realisierung in Teilprojekten attestieren.

Stellvertretend sei hier das Resümee zitiert, das auf der Webseite der Akademie der Technikwissenschaften acatec zu finden ist: “Inzwischen ist Industrie 4.0 weitreichend im unternehmerischen Kontext bekannt und wird als ein Schlüssel zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit erachtet.” Es herrscht also weitgehende Einigkeit, dass die Realisierung der Vision Industrie 4.0 ein wichtiges Element für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit ist.

Doch in Sachen konkrete Umsetzung besteht nach wie vor erheblicher Handlungsbedarf: “Obwohl viele deutsche Anbieter einen Vorsprung gegenüber der internationalen Konkurrenz haben, sind noch nicht einmal zehn Prozent der industriellen Produktion auf Industrie 4.0 umgestellt.” (Quelle: acatech, 2021, Industrie 4.0 feiert 10-jähriges Jubiläum – die erste Halbzeit ist geschafft) 8)

Wo bleibt die Revolution? Hat sie bereits stattgefunden?

Auch wenn der Fortschritt langsamer von statten geht, als von vielen erwartet, wäre es falsch, Industrie 4.0 als Papiertiger abzutun. Bereits die Mechanisierung der Produktion im 18. Jahrhundert (“erste industrielle Revolution”) und die Einführung der arbeitsteiligen Massenproduktion im 20. Jahrhundert (“zweite industrielle Revolution”) haben sich nicht über Nacht vollzogen, sondern haben sich erst im Rückblick als die bestehenden Verhältnisse revolutionierendes Ergebnis eines Evolutionsprozesses manifestiert.

In gleicher Weise ist auch die so genannte 3. industrielle “Revolution” als Ergebnis des Einsatzes von Elektronik und IT nicht als radikaler Umbruch, sondern als eine sich über mehrere Jahrzehnte hinziehende Evolution zu verstehen, mit der sich die deutsche Industrie in einem globalen Wettbewerb erfolgreich behaupten konnte.

Ob nun der Brückenschlag zwischen virtueller und physikalischer Welt im Sinne von Industrie 4.0 als eine “eigenständige” Evolutionsstufe zu betrachten ist, oder als logische Fortsetzung der Produktionsautomation durch Elektronik und IT mag dahingestellt bleiben. Der Prägnanz gedient hat das Schlagwort “4. Industrielle Revolution” allemal.

Wie können wir von der Digitalisierung profitieren?

Auch wenn sich gezeigt hat, dass sich die Realisierung der Vision von Industrie 4.0 aufwändiger gestaltet als anfänglich angenommen, so arbeitet Zuken zusammen mit seinen Kunden und Anwendern doch an vielen Stellen bereits an der Realisierung wichtiger Umsetzungsempfehlungen:

Quellen:

  1. Industrie 4.0: Mit dem Internet der Dinge auf dem Weg zur 4. industriellen Revolution“   
  2. Niederschrift Eröffnungsrede der Bundeskanzlerin zur Hannover Messe 2011 
  3. Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0“  
  4. 10 Jahre Industrie 4.0”, Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 29.03.2021 
  5. Industrie du Futur 
  6. Industria 4.0    
  7. Connected Industries”   
  8. Industrie 4.0 feiert 10-jähriges Jubiläum – die erste Halbzeit ist geschafft) 
Klaus Wiedemann
Klaus Wiedemann
Marketing Manager Europe
Klaus Wiedemann is responsible for Marketing Communications across Europe covering web content, public relations and marketing programs. He works with customers to highlight their success through case studies and presentations for Zuken Innovation World events. Klaus is an enthusiast for two-wheeled vehicles and owns several classic bikes he likes to maintain and repair.