Dynamische Kompetenzen entwickeln – für nachhaltigen Produkterfolg in einer sich verändernden Welt

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Die Fertigungsindustrie hat durch die Digitalisierung und den gegenseitigen Wettbewerb eine bedeutende Entwicklung erfahren. Diese hat Produktverbesserungen sowie ein kooperatives Vorgehen der Unternehmen gefördert. Durch die Integration von Best Practices und die Berücksichtigung bereichsübergreifender Anforderungen haben moderne digitale Werkzeuge die Effizienz gesteigert und neue Chancen für zukünftige Herausforderungen in der Produktion eröffnet.

In einem stabilen Marktumfeld fördert gegenseitiger Wettbewerb das Wachstum und „eine steigende Flut hebt alle Boote“. Dies war viele Jahre lang der Fall und die europäische Automobilindustrie ist ein gutes Beispiel für ein leistungsfähiges Netzwerk aus konkurrierenden OEMs und Zulieferern. Dieses Netzwerk hat zu einer einzigartigen und starken Industrie geführt, in der OEMs die Markenführung, das Marketing und die Fahrzeugintegration vorantreiben, während sich die Tier-One-Zulieferer im Laufe der Zeit zu Systemanbietern sowie zu Treibern von Technologie und Innovation entwickelt haben.

Dies führte letztlich zu einem Markt mit vergleichsweise wenigen großen Akteuren in beiden Bereichen. Diese Strukturen entstanden in einem weitgehend stabilen Marktumfeld. In den letzten Jahren stellen jedoch zwei tiefgreifende Veränderungen die Frage, wie gut ein solches Modell darauf vorbereitet ist, diese gleichzeitig zu bewältigen: der Klimawandel und der Abschied von fossilen Brennstoffen sowie neue, schnell agierende Wettbewerber, hauptsächlich aus China.

Wie lassen sich Premiumpreise verteidigen?

Bis vor Kurzem konnten europäische Hersteller den Preisaufschlag für ihre Produkte durch deren Merkmale rechtfertigen. Dazu zählen Qualität, Energieeffizienz, Langlebigkeit und Service. Allerdings drohen zumindest einige dieser Eigenschaften zu erodieren. Für viele Kunden sind chinesische Produkte inzwischen „gut genug“ und bieten zudem einen erheblichen Preisvorteil – nicht zuletzt aufgrund staatlicher Förderung, insbesondere in der Automobilindustrie.

Dies bringt europäische Automobil- und Industriehersteller potenziell in eine schwierige Lage und erfordert eine Überlebensstrategie: Wie können wir diese Situation gemeinsam mit unseren Kunden bewältigen? Wie können wir geeignete Strategien entwickeln und entsprechende Lösungen gemeinsam umsetzen? Und was kann Europa aus einem ähnlichen Wandel der japanischen Wirtschaft lernen?

Diese Themen möchten wir gemeinsam mit Herrn Ueno diskutieren, der die globale Geschäftsstrategie von Zuken, Inc. Japan verantwortet.

ueno-headshot-2-300x300Yasuo Ueno ist als Senior Managing Executive Officer bei Zuken, Inc. für die Geschäftsstrategien verantwortlich. Er kam 1985 über den Vertrieb zu Zuken und baute 1995 das PLM-Geschäft auf.

Heute besteht seine Hauptaufgabe darin, das bedeutende DX-Geschäft von Zuken auf Basis von CAD/PLM und MBSE weiterzuentwickeln.
Darüber hinaus ist er Mitglied der Forschungsgruppe Digital MONOZUKURI unter der Leitung von Prof. Fujimoto.

Yasuo Ueno: Ein ganzheitlicher Ansatz zur Förderung von Innovation und Effizienz

Werfen wir zunächst einen kurzen Blick auf die Situation in Japan: Bis etwa zum Jahr 2000 hatten japanische Hersteller, insbesondere im Bereich der Unterhaltungselektronik, den Markt erfolgreich aufgebaut. Die Branche war groß und stark genug, um mit der heutigen japanischen Automobilindustrie vergleichbar zu sein.

Damals bestand der japanische Markt für Unterhaltungselektronik aus rund 100 konkurrierenden Unternehmen. Dennoch war jedes von ihnen profitabel, da sie sich konsequent auf Effizienz, Kostenreduzierung, ein breites Produktportfolio und wettbewerbsfähige Qualität konzentrierten. Offensichtlich hatte CAD/PLM diesen Wettbewerb innerhalb der japanischen Elektronikkonzerne erheblich vorangetrieben und eine Art „Ko-Evolution“ gefördert – ein Wettrennen darum, wer schneller zahlreiche Varianten hinsichtlich Design, Aufbau, Farben und Funktionen hervorbringen konnte.

Der Markterfolg des iPhones machte deutlich, dass Verbraucher im Elektronikmarkt keine unzähligen Varianten ähnlicher Produkte mehr wünschten, sondern neue, überzeugende Nutzungserlebnisse. Mit der fortschreitenden Digitalisierung begannen asiatische Länder, die Unterhaltungselektronikindustrie zu dominieren, da modulare Produktarchitekturen eine schnelle und effiziente Entwicklung von Varianten ermöglichten. Heute ist von Japans ehemals florierendem Consumer-Electronics-Sektor nur noch wenig übrig. Dies wird oft als Grund für den Niedergang der japanischen Fertigungsindustrie genannt.

Prof. Takahiro Fujimoto zufolge erzählen die Daten jedoch eine andere Geschichte. Um 1990, als die japanische Industrie als unbesiegbar galt, beliefen sich die Exporte industrieller Produkte auf rund 270 Milliarden Yen. Im Jahr 2022 überschritten sie die Marke von 600 Milliarden Yen und erreichten damit einen neuen Rekordwert, der mehr als doppelt so hoch ist wie der Wert von damals. Gleichzeitig sank die Zahl der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe in den vergangenen 30 Jahren von 15 Millionen auf 10 Millionen. Dennoch ist die reale Wertschöpfung von 530 Milliarden Yen auf 800 Milliarden Yen gestiegen.

Japan ist vor allem für seine Automobilindustrie bekannt. Doch auch andere Hightech-Sektoren wie Medizintechnik, Robotik, Halbleiteranlagen und Infrastruktur behaupten sich erfolgreich im globalen Wettbewerb. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die japanische Industrie nach wie vor stark ist, wenn es um hochwertige, wertschöpfungsintensive Produkte geht. Die Entwicklung der japanischen Hersteller deutet zudem darauf hin, dass dieses Segment weiter wachsen wird.

Prof. Fujimoto zufolge wird die Lohnlücke zu China kontinuierlich kleiner werden. Dadurch werden japanische Hersteller in der Lage sein, China durch eine kontinuierliche Steigerung von Produktivität und Qualität ausreichend entgegenzutreten.

METIs Forderung nach der „Dynamic Capability“

Das japanische Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI) weist nachdrücklich darauf hin, dass Unternehmen eine Fähigkeit erwerben müssen, die es als „Dynamic Capability“ bezeichnet. Diese Fähigkeiten sind in Organisationen erforderlich, da ein reiner Fokus auf Effizienz dazu führen kann, dass Marktveränderungen zu spät erkannt werden, was zu geschäftlichen Verlusten führen kann.

METI hat aus den tiefgreifenden Veränderungen in der Elektronikindustrie Lehren gezogen und hofft, dass Japans Hightech-Sektoren – einschließlich der Automobilindustrie – ihre Wettbewerbsfähigkeit bewahren können. Um innovative Produkte zu entwickeln und Markttrends agil und flexibel aufzunehmen, muss die Organisation neu strukturiert werden.

Das Buch Dynamic Capability and Strategic Management war für japanische Führungskräfte ebenso Pflichtlektüre wie das Buch Lead and Disrupt: How to Solve the Innovator’s Dilemma. Im Folgenden stellen wir eine wichtige Grafik vor, die Dynamic Capability und Ordinary Capability gegenüberstellt.

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Wie Engineering IT beide unterstützt

Was sind „organisatorische Fähigkeiten“ – und wie können wir diese fördern? Laut dem Buch „Dynamic Capability“ benötigen Unternehmen sowohl „Dynamic Capability“ als auch „Ordinary Capability“ als grundlegende organisatorische Fähigkeiten. Die Forschung zeigt, dass ein Gleichgewicht zwischen bestehenden Unternehmensstärken und neuen Innovationen für nachhaltigen Erfolg entscheidend ist. Betrachten wir, wie Engineering IT beide Fähigkeiten historisch unterstützt hat.

Wir sind überzeugt, dass unsere Engineering-IT-Technologien CAD/CAE und PLM die Effizienz und technische Leistungsfähigkeit unserer Kunden durch etablierte Best Practices deutlich gesteigert haben. Sie haben finanzielle Vorteile gebracht und Mitarbeitende entlastet. CAD/CAE und PLM haben somit erheblich zur gewöhnlichen Fähigkeit der Unternehmen beigetragen.

Dies entspricht der zu Beginn des Artikels erwähnten Idee, dass herkömmliche digitale Werkzeuge vor allem die organisatorischen Fähigkeiten zur Bewältigung bestehender Herausforderungen in der Fertigung stärken.

Die Implementierung von Best Practices in die Prozesse ist essenziell, um begrenzte Ressourcen optimal zu nutzen. Die 50-jährige Geschichte von Zuken ist maßgeblich von diesem Ansatz geprägt. Daher möchten wir einige Bilder zeigen, die an diese Best Practices in unseren Tools erinnern.

  1. Dragon Router in CR-8000
    Links: Differenzielle Leitungen gemäß definierten Bedingungen (Wiring in Sekunden)
    Rechts: Automatische Gleichlängen-Meanderleitungen (oben/unten in Sekunden bis Minuten abgeschlossen)dragon-router
  2. 3D EMC Advisor
    EMV-Prüfungen für elektrische und mechanische Komponenten sowie PCB-zu-PCB in 3D-Modellen
    emc-advisor
  3. IPS mit XVL-WR basierend auf E3-Konnektivität
    Analyse von Kabelwegen und Bewegungen mittels XVL-WR mit IPS (fleXstructures) zur Reduzierung von Nacharbeit
    3d-emc-advisor-1024x689
  4. DS-CR automatische Komponenten- und BOM-Erstellung
    Automatische Auswahl geeigneter Komponenten und Ausgabe der Stückliste für Einkauf und Fertigung, einschließlich Varianten
    ds-cr-bom

In der heutigen VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) reicht reine Effizienz jedoch nicht mehr aus, um Innovation voranzutreiben. Unternehmen müssen verändern, wahrnehmen und handeln – flexibel und agil. Genau dies beschreibt Dynamic Capability.

Nachdem wir den Begriff „Innovation“ erläutert haben, betrachten wir nun den Beitrag von Engineering IT. Innovationen entstehen oft durch neue Kombinationen, also das Rekombinieren von vorhandenem Wissen und bestehenden Ressourcen. Dies erfordert heute mehr Agilität sowie die Fähigkeit, Komplexität zu bewältigen. Dies unterstreicht auch die Bedeutung der Digitalisierung von Unternehmens-Assets, um neue Kombinationen zu ermöglichen.

MBSE: Enabler der Dynamic Capability

Wie kann die IT zu dieser Fähigkeit beitragen? Ein entscheidender Faktor ist die Digitalisierung von Entwicklungsdaten. Model-Based Systems Engineering (MBSE) ermöglicht die Digitalisierung technischer Assets und Entwicklungsprozesse. Diese Datenbank enthält das Wissen eines Unternehmens und kann in ähnlichen Entwicklungsfällen eine flexible und agile Wiederverwendung, Validierung, Verifikation und Verknüpfung von Anforderungen bis zum Detaildesign ermöglichen.

Obwohl die Methode und die Tools ursprünglich aus dem Mil-/Aerospace-Bereich stammen, erkannte Zuken früh, dass sich die Konzepte auch auf andere Fertigungsbranchen, vor allem auf B2B-Sektoren wie Automotive, Medizintechnik und Industrieanlagen, übertragen lassen. Daher erwarb Zuken im Jahr 2019 das US-amerikanische Unternehmen Vitech, das auf MBSE spezialisiert ist. Die Idee fand Anklang und inzwischen befinden sich über 30 Unternehmen in MBSE-PoCs. Wir betrachten MBSE als zentralen Enabler, um die notwendigen Dynamic Capabilities zu entwickeln.

Fazit

In der heutigen volatilen Marktlage reicht Effizienz allein nicht mehr aus. Wahre Wettbewerbsfähigkeit beruht auf „Dynamic Capabilities”, also der Fähigkeit, Veränderungen zu erkennen, Chancen zu nutzen und sich agil zu transformieren. Durch die Verbindung von operativer Exzellenz und Innovation können Unternehmen widerstandsfähig bleiben und nachhaltig wachsen.

Im nächsten Artikel werden wir die Frage weiter vertiefen.
Wie spiegeln sich „Dynamic Capabilities” in den Herausforderungen europäischer Hersteller wider? Was ist der eigentliche Fokus von Industrie 4.0 in Europa – der Aufbau dieser Fähigkeiten oder lediglich die Effizienzsteigerung durch Digitalisierung?

Yasuo Ueno
Yasuo Ueno
Senior Managing Executive Officer

Yasuo Ueno is the Senior Managing Executive Officer and in charge of Business Strategies at Zuken, Inc. He joined Zuken in 1985 in sales, and in 1995, he established PLM business. Today, his main responsibility is to establish Zuken’s significant DX business based on CAD/PLM and MBSE.
He is also a member in the research group of Digital MONOZUKURI run by Prof. Fujimoto.

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